Queerfeindlichkeit im Profisport
Ein Beitrag von: Sebastian Pink /// Lesedauer: 5 min
Sport ist gesund, das sollte bekannt sein. Dennoch ist er oftmals geprägt von fragwürdigen und veralteten Idealen: Männlichkeit, Dominanz, Überlegenheit. Der Begriff Sport ist allerdings nur eine Kategorie. Eine Differenzierung ist also nötig. Besonders die größten Ballsportarten wie Fußball, Football, Basketball oder Baseball sind geprägt von Homophobie und zweifelhafter Fankultur. Konzentrieren wir uns hierbei auf die hiesige Situation. Fußball ist in Deutschland mit Abstand die beliebteste Sportart. Selbst Menschen, die sich kaum dafür interessieren, verfolgen die EM oder zumindest die WM. Rund 48 Millionen Menschen hierzulande sind Fußballfans, also interessieren sich mindestens für einen Verein der deutschen Bundesliga und rund 8% der Bevölkerung sind Mitglied in einem der über 27.000 Vereinen. Fußball ist in Deutschland ein Massenphänomen. Jedes Thema, welches eine solche immense Aufmerksamkeit erhält, bringt allerdings auch negative Erscheinungen mit sich. Eines davon ist Homophobie und Queerfeindlichkeit, alles eng verbunden mit toxischer Maskulinität.

Woher kommt diese Diskriminierung?
Laut einer Studie der Deutschen Sporthochschule Köln geben 96% der Befragten an, dass Homo- und Transphobie immer noch ein Problem im Sport ist. Es gibt wenige gesellschaftliche Bereiche, in denen Männlichkeit noch so relevant ist wie im Sport. Stärke, Kraft und Überlegenheit, all diese männlichen Ideale werden durch den Sport ausgedrückt. Frauen, die sich diese Ideale aneignen, verletzen damit die gesellschaftliche patriarchale Vorstellung von Weiblichkeit und müssen sich entscheiden, ob sie Frau oder Sportlerin sein wollen. Das bedeutet, alles was Frauen leisten, wird nicht nur als etwas anderes, sondern etwas minderwertiges dargestellt. Homosexualität gilt in dieser Vorstellung als schwach und unmännlich. Homosexuelle Männer sehen sich oft mit der Vorstellung konfrontiert, sie seien weich, durchsetzungsschwach, verletzlich oder zickig, alles vermeintlich weibliche Attribute. Damit verstoßen sie gegen männliche Ideale. Dazu kommen die Erfahrungen vieler offen queerer Sportler:innen, wie die Ablehnung von Seiten ihrer Verbände, der Rauswurf aus dem Kader oder der Verlust von Sponsoren und damit für Profis der Verlust ihrer Existenzgrundlage. Das führt dazu, dass sich homosexuelle Menschen verstecken und eine heterosexuelle Orientierung vorgaukeln. Auch die meisten Funktionäre in den großen Sportverbänden sind Männer, oft aus einer Generation, die mit dem Thema unvertraut sind und mit dem sie am liebsten nichts zu tun haben wollen. Auch bekannte Profisportler, wie Philipp Lahm raten derzeit von einem Coming-out ab.
Homophobie und Diskriminierung beginnt aber nicht erst mit Beleidigungen und Gewalt, sondern schwingt bereits bei Aussagen und Handlungen im Hintergrund mit. 2008 brachte Christoph Daum Homosexualität indirekt mit Pädophilie in Verbindung. 2011 sendete die ARD einen Tatort, in dem der Satz fiel: „Wissen Sie, die halbe Nationalmannschaft ist angeblich schwul, einschließlich Trainerstab.“ Oliver Bierhoff wehrte sich instinktiv gegen diese Vorwürfe, obwohl diese nur innerhalb einer fiktionalen Geschichte auftauchten. Das alles führt dazu, dass es bisher nicht einen offen geouteten schwulen Profifußballer in Deutschland gibt. Auch Hitzlsperger outete sich erst nach Ende seiner aktiven Spielerkarriere als homosexuell.
Symbolpolitik?
Dagegen helfen auch keine Lippenbekenntnisse oder Symbolpolitik, wie sie aktuell von der UEFA praktiziert werden. Die Allianzarena sollte aufgrund des Beschlusses eines queerfeindlichen Gesetzes in Ungarn zum Spiel Deutschland gegen Ungarn in Regenbogenfarben leuchten. Damit wollten die Verantwortlichen und die Stadt München ein Zeichen gegen Homophobie und für Vielfalt setzen. Die UEFA lehnte ab und bezog sich auf eine angebliche politische Botschaft hinter der Aktion. Politik sollte aus dem Sport herausgehalten werden. Auch ermittelte die UEFA zunächst gegen die Regenbogenkapitainsbinde von Manuel Neuer, stellte diese Ermittlungen allerdings nach kurzer Zeit wieder ein. Das Verbot das Stadium zu beleuchten, stieß auf eine breite Kritik. Wie reagiert die UEFA? Sie färbt ihr Logo in Regenbogenfarben um und betont, dass Toleranz wichtig sei. Ein klarer Fall von Pink- oder Rainbowwashing. Nichts als ein Lippenbekenntnis ohne Folgen.
Was muss passieren?
Was muss passieren, damit der Profisport ein Ort der Toleranz und Vielfalt werden kann? Können alte patriarchische Ideale und toxische Maskulinität einfach über Bord geworfen werden? Bundesligaclubs könnten ihre Einstellungskriterien überdenken und eine Frauenquote einführen. Der DFB könnte das Thema auch in die Ausbildung von Trainern integrieren und Schiedsrichter:innen dazu auffordern, auch bei homophoben und sexistischen Rufen das Spiel zu unterbrechen. Die Medien müssten wegkommen vom Ideal Sport für harte Männer, in dem jedes feminine Merkmal sofort als Schwäche erkannt wird. Ein Outing darf kein Karrierekiller mehr bedeuten. Queere Menschen sollten nicht mehr mit der Angst leben müssen diskriminiert zu werden, egal ob von der Mannschaft, den Organisationen oder den Fans. Die Frage eines Outings, sollte nicht mehr gestellt werden müssen. Stattdessen muss Akzeptanz an dessen Stelle treten. Und diese sollte bereits in den kleinen regionalen Fußballvereinen anfangen und sich bis in die großen Liegen fortsetzen. Sport ist keine alleinige Männersache. Sport geht uns alle an.
